Hallo Vreni,
du greifst allerhand archetypische Muster bei deiner Plotgestaltung auf. Sci-Fi
meets Alttestament, sozusagen. Doch im Grunde geht es nur um das Eine: darum, dass Mara schwanger wird.
Okay, fangen wir vorne an:
Sie nahm all ihr fachliches und emotionales Wissen mit und flüchtete, kurz bevor die Apokalypse eintrat, mit einem Shuttle auf eine Raumstation namens ‚Nimrod‘. Diese sollte diese Menschen und nachfolgende Generationen aufnehmen, bis eine Rückkehr auf die Erde wieder möglich sein würde.
Vor deren Fluch wurden noch ein paar uralte Schriftrollen mit Gesetzen und Verhaltensregeln in den Höhlen von Qumran versteckt hinterlassen.
Soweit so gut bis hierher.
Du meinst, eine Raumstation kann die gesamte Menschheit evakuieren und zurück bringen, später wieder?
Meinst du auch „Flucht“ statt „Fluch“?
Im Prinzip ging es um Vermehrung und Erbfolge.
Hier muss es aus dramaturgischer Sicht um etwas gehen, das auch die Spannung hat, im Roman zu tragen, sprich: dass die Leser dir das Heft hier nicht zuklappen. Ich will das einmal exemplarisch beleuchten. Ginge es um die 10 Gebote, wäre das langweiölig, weil es für die Leser nichts Neues wäre. Würde in den Schriftrollen geschrieben stehen, sie müssten rund um die Uhr Sex haben, wäre das spannend (natürlich auch kräfteverzehrend).
Oder anderes gesagt – rein aus dramaturgischer Sicht, zeigst du im Entree eine friedvolle Welt. Der Antagonist zeigt sich in Form des Asteroiden, doch Rettung naht (Raumkapsel). Nach dem Unglück (der worst case liegt
hinter uns), sollen die Überlebenden nach Regeln leben.
Okay, es ist ein Prolog, aber wenn der nicht reinknallt, wie soll dann die Story noch zünden?
Dabei gelingt es ihnen, per Fernsteuerung in die Träume der Menschen in der Phase kurz vor deren Aufwachen einzudringen. Die Traumbilder werden so in die real erlebte Welt mitgenommen und für wahr und bedeutungsschwer erachtet.
Genau das ist das Salz in der Lesesuppe. Macht es Sinn, statt des Prologe genau dieses voran zu stellen?
Dem Hohen Rat wird auch wieder langweilig und er lässt Mara als Auserwählte fallen.
Vorsicht.
Wenn den Protagonisten im Roman etwas langweilig wird, was bleibt noch für die Leser?
Heiz ihr stattdessen fett ein, setze ein Ultimatum, etc. Lass mal richtig was auf dem Spiel stehen!
Ansonsten ist die Story plausibel, finde ich.
Vllt ein bisschen „altbacken“, aber das nur für meinen Geschmack.
Du hast aber sicher ähnlich gedacht, denn damit das „Altbackene“ nicht so allein da steht, wickelst du es in einen Sci-Fi-Hülle. Das kann man machen, aber dann müsste das Sci Fi auch stärker hervortreten, denke ich. Die Sci-Fi-Elemente sind ja nur Mittel zum Zwecke, also der Grund, warum Mara schwanger werden muss. Da solltest du noch mal rangehen und weitere Ideen ausbrüten, denke ich. Vllt übernehmen die Assistenten auch die Arbeit, schwanger zu werden, bzw. gibt es nur noch Replikanten statt Menschen, wenn Mara nicht endlich auf gewöhnlichem Wege schwanger wird. Man sollte vllt auch einen dritten Leseanreiz schaffen. Ein großes Thema, noch, vllt in einer Nebenhandlung. Jetzt frage mich nur bitte nicht, was. Ich find das Alttestamentarische blutleer, aber auch das ferne Steuern von einer fernen Raumstation ‚Nimrod‘ aus. Da fehlt mir als Leserin der Clou, die Unmittelbarkeit eines Hier und Jetzt, wenn du weißt, wie ich es meine.
Als weibliche Leserin identifiziere ich mich nur ungern mit einer Frau, deren Lebensziel allein ist, schwanger zu werden, damit sie Erben schafft (womöglich Männer?) für ein entferntes Raumschiff. Ich muss als Leserin eine Sache finden, die mich berührt. Am ehesten ist das die List, als Mara sich als Prostituierte verkleidet und später, als sie Judar mit der Ziege entgegen tritt. Das sind für mich die Highlights, aber mir würden sie nicht reichen. Ich klappe das Heft automatisch zu, wenn die Hauptsubstanz einer Geschichte aus einer „unbemannten“ Frau besteht – auf der Suche nach Mann und Nachkommen. Was kann ich von so einer lernen?
Ich setze deinen Plot bewusst dieser provokativen Fragen aus, in der Hoffnung, dass du mich zufrieden schon bald stellst.
Herzliche Grüße,
schickt dir Elke