Hallo Amelie,
die Story hast du bis hierher schon wunderbar voran gebracht, finde ich.
Das Thema „Kuckuckskinder“ ist wunderbar spannend. Dazu steht es noch vor der Flüchtlingsproblematik. Nun schreib schnell dein Werk zu Ende, denn es ist brandaktuell. Und wenn du einmal einen Roman geschrieben hast, dann machst du im kommenden Romanseminar wieder mit und schreibst an deinem zweiten …. ich würde sagen, Hollandkrimi. Hollandkrimi für Deutsche Strandurlauber. Klingt easy und es IST easy.
Zu deinem Plot:
Die Geburt eines fremden Kindes hinterlässt eine blutige Spur, die weder Gunnar noch Liv ignorieren können, und die sie in die Auseinandersetzung mit Flucht, Gewalt und Prostitution zwingt. Zuvor kannten sie einander nur flüchtig, doch jetzt müssen sie eng zusammenarbeiten, um die Herausforderungen zu meistern.
Den Kuckuck-Prolog finde ich sehr sehr gut.
Doch hier entgleitet mir als Leserin das Ganze. Ich schreibe es dir mal in Klammern:
Die Geburt eines fremden Kindes hinterlässt eine blutige Spur [wo sind wir jetzt?], die weder Gunnar noch Liv ignorieren können, und die sie in die Auseinandersetzung [ihre partnerschaftliche? Oder eine Fehlgeburt? Oder die eines Kuckuckskindes?] mit Flucht, Gewalt und Prostitution [huch, wie das?] zwingt. Zuvor kannten sie einander nur flüchtig, doch jetzt müssen sie eng zusammenarbeiten [sind sie Liebende, Kollegen oder Prostituierte und Zuhälter?], um die Herausforderungen [welche?] zu meistern.
Sag es einfach in einfachen Sätzen.
Der Gedanke an das Schicksal der Mutter und an deren Kind, lenkt sie ein wenig von ihrer Trauer ab. Zwei Tage später wird Liv nachts von einer Schwerverletzten namens Amina aufgesucht, die ihr einen neugeborenen kleinen Jungen anvertraut und ihr das Versprechen abnimmt, sich um das Baby zu kümmern und niemandem von seiner Existenz zu erzählen.
Es dreht sich wirklich alles um Schwangerschaft?
Ich meine, ist es nicht ein Zuviel des schwangeren Zufalls?
… Umstände und um der Bitte der Überbringerin nachzukommen, darf der Säugling vorerst bei Liv bleiben.
Wer entscheidet das?
Im Sinne einer Dramaturgie: wäre es nicht spannender, das Paar gäbe sich mit Haut und Haaren als Eltern aus?
Dann wäre es für die Leser spannender, die ja hier in einem quasi Wissensvorsprung sind.
Sie führt ins Rotlichtmilieu. Eines der im Park befindlichen Ferienhäuser gehört einem Bordellbesitzer aus Amsterdam und dient quasi als Außenstelle für gut betuchte Geschäftsleute.
Es bleibt weiterhin spannend. Sehr gut.
Ich möchte dennoch genau die Spannungskurve einmal visualisieren: So lange es um Leben und Tod geht, auch um das Verstecken des Babys, hältst du die Spannung im Anschlag. Hier fangen die Ermittlungen an und es kann automatisch nicht mehr DIE Spannung wie zu Beginn haben.
… dass die Frauen ursprünglich in Hamburg festgehalten worden waren, …
Ich muss mal Zwischenfragen: Hier geht es um die leibliche Mutter des Babys und um Amina?
Waren die beiden dunkelhäutig?
Afrikanerinnen?
Oder kommen sie aus dem Libanon?
Wie sieht das Baby aus – Hautfarbe?
Solche Fragen müssen nicht immer stimmig gelöst sein, sondern man entscheidet sich dafür, was am meisten Konfliktpotential hat. Daher ist es für die Figuren schwieriger, wenn das Baby einmal dunkelhäutig werden wird, und was schwierig ist, ist dann am Ende auch spannend zu lesen. Also: mach es allen schwer.
Sie wollen herausfinden, aus welchem Land die Frauen ursprünglich stammten und ob der Junge noch Verwandte hat.
Sie haben aber jetzt auch gemeinsam ein Baby zu versorgen?
Da sich das Lager in einem Krisengebiet befindet, wird Gunnar bei einem Angriff von Rebellen angeschossen und nach Deutschland ausgeflogen.
Liv und Gunnar finden ihren Frieden darin, dass sie sich in der Flüchtlingshilfe engagieren …
Wie viel Zeit verstreicht hier?
Ist das Baby inzwischen ein Kleinkind?
Der Mann, der angeblich der leibliche Vater des Kindes sein soll, wird verhaftet, als er versucht das Kind zu entführen.
Huch, das ist doch noch einmal eine geballte Ladung Action.
Hier würde ich aufpolstern.
… zumindest aber das Leben eines kleinen Jungen lebenswert gestalten können. Als sie letztendlich noch noch eine Verwandte des Babys ausfindig machen (Großmutter mütterlicherseits), ist diese überglücklich, dass zumindest ihr Enkel eine vielversprechende Zukunft vor sich hat. Sie wird fortan finanziell unterstützt und man beschließt, sich zu einem späteren Zeitpunkt zu besuchen.
Hier würde ich auch noch einen kompletten Handlungsstrang dazu erdichten.
Also: wie sie der Großmutter aufspüren und wie die Suche erst ins Leere läuft, später von Erfolg gekrönt ist. Ggf. kann an auch taktisch vorgehen, etwa dergestalt, dass die Großmutter nur vorgibt, Großmutter zu sein, dass man das schnell erkennt: sie will die reichen Weißen nur finanziell ausbeuten, dass man aber jetzt hier auf einen Gen-Test verzichtet, weil es doch schlussendlich Wurscht ist und man nur noch das Glück des Kindes im Visier hat, das ja eine liebende (wenn auch gegen Geld) Großmutter gefunden hat.
Dramaturgisch sollten hier noch ein paar Zöpfe mit eingeflochten werden. Die Story geht gleich zu Beginn absolut in die Vollen und sackt dann unter Niveau in der Spannung ab. Beim Schreiben wirst du wahrscheinlich bemerken, dass du genau bis zu der Stelle Spaß hast, an der die Ermittlungen losgehen. Hier hat die Geschichte einen Tiefpunkt, wie ich denke, und ich würde genau da den Daumen drauf legen: wir brauchen einen parallelen Handlungsstrang, der der Spannung einheizt. Lass doch das Baby hier verschwinden. Und/oder du baust eine zweite Erzählperspektive dazu: Es könnte jemand ein Geschäft wittern damit, das Baby zu entführen und es dann für viel Geld zum Freikaufen wieder anbieten. Meine kriminelle Energie geht so weit, dass man eine Webcam anbringt, die das Baby live zeigt, wie es sich selbst überlassen … tagelang … du weißt, ich ziehe mich für jede Spannung aus, sozusagen.
Mich interessiert auch die Prämisse hier.
Du hattest den Kuckuck voran gestellt.
Am Ende findet man seinen Seelenfrieden zugunsten eines glücklichen Lebens.
Das Kind soll es einfach gut haben. Punkt.
Ich finde das okay, aber die Kuckucksfrage darfst du auch über die Mitte des Plots nicht aus den Augen verlieren, also in diese Richtung: die leiblichen Eltern sind nicht immer gut zu der eigenen „Brut“, wohingegen die Nicht-Leiblichen oft die Besseren sind.
Soweit meine Ideen.
Auf den fertigen Krimi freue ich mich aus geografischen Gründen schon jetzt.
Herzliche Grüße,
schickt Elke
P. S. ich lese eben die Kommentare …
In Deutschland werden händeringend Familien für Bereitschaftspflege gesucht, aber in den Niederlanden kann sich die Situation ja ganz anders darstellen. Realistisch ist, dass das Kind zunächst im Krankenhaus untersucht wird und so habe ich es auch angedacht.
Ich denke, hier läufst du Gefahr, dich absichern zu wollen, was einem belletristischen Ziel entgegen läuft: die Spannung zu halten. Dadurch entsteht eine Diskrepanz, die prima durch die Figuren ausgelebt werden kann:
Sie: „Verstehst du, ich habe Muttergefühle und die werden mehr und nicht weniger, wenn ich das Bany noch länger bei mir behalte.“
Er: „Wir könnten es adoptieren. Ganz legal.“
Se: „Wir könnten auch sagen, wir haben es bekommen?“
Er: „Wir sind nicht in Deutschland, kennst du die Gesetze hier?“
etc. pp.
Bevor deine Leser es in Frage stellen, haben deine Figuren es bereits diskutiert.