Hallo Bettina,
ich war auch an "Mord im Orientexpress" erinnert, aber noch mehr an „Opera Fatal: Die haarsträubende Suche nach den verschwundenen Noten“ – kennst du das?
Ein Mord – und jed/r könnte es gewesen sein.
Dann aber wieder nicht. Du lavierst zwischen Mord und Komödie, zwischen einer hochernsten Angelegenheit und doch einer Satire. Für mich klingt das nach einer Idee, die schon lange im Ideentopf schmurgelt, vllt schon jahrelang. Nun muss sie ans Licht, aber es hat inzwischen so viele Zutaten, dass man das eigentliche Gericht nicht mehr beim Namen nennen könnte.
Machen wir doch einen Krimi draus!
Und legen eine Leiche ab.
Dazu finden wir einen, der „es“ gewesen ist – und zwar jetzt sofort.
Dann ist der erste Schritt getan.
Ich kann mir nämlich durchaus denken, dass das Genre „Orchesterkrimi“ von dir soeben erfunden worden ist, dass du damit in Serie gehst. Später einmal.
Nimm also 90 Prozent deiner Ideen heraus und lege sie weg für spätere Projekte.
Mit den restlichen 10 Prozent fängst du jetzt etwas an.
Nun stellt sich die Frage: Der O-Wart ist DIE tragende Figur deines Werkes. In einem Krimi wäre er der Ermittler. Dafür muss er nicht einmal zur Polizei wechseln. Er kann etwas beobachtet haben, aber weil das Orchester ein organisch Ganzes ist, kann er es nicht in seine Teile zerlegen. Dann funktioniert das ganze Gerüst nicht mehr. Er wäre froh, wenn „es“ der Fiesling gewesen ist, so kommt er seiner Cellistin näher. Aber macht er sich dann nicht selbst verdächtig?
Wie auch immer. Mach deine Figur serientauglich. Möglich wäre, dass er ein ganz großes Phlegma hat, aber eben auch alles, wirklich alles, an ihn heran getragen wird. Nun kann man dem Phlegma zuarbeiten: schon sehr früh sagt ihm jemand, er/sie habe beobachtet, wie Figur A oder B die andere umgebracht hat. Das schert ihn nicht, da er ja phlegmatisch ist. Kommt das in Frage?
Ich würde die Ermittler-Figur nicht unbedingt transformieren wollen. Ich würde sie schon als eine Art „byronic hero“ anlegen, aber eben mit dieser Überzeichnung von Anfang bis Ende stehen lassen. Ich würde eine mit Phlegma versehene Figur immer nach einem Schlafplatz suchen lassen. Oder nach einer gemütlichen Couch. Wenn es eine Komödie wird, kann sie schlafend Gespräche belauschen, etc.
Ich würde dann sagen, du entscheidet jetzt erst einmal, wer gestorben ist und wodurch. Die Idee des Eichenprozessionsspinners ist eine sehr gute. Man geht ja bei Mord immer von einer offensichtlichen Tatwaffe aus. Wenn man nun einen Eichenprozessionsspinner hat, kann man den gut im „Mittelfeld“ mitlaufen lassen. Will sagen. Eine Pistole und Gift müsste man verstecken, aber eine Allergie kann man offen ausleuchten und die Analogie erkennt man erst im Showdown, auf den letzten Seiten.
Okay. Gehen wir es strukturiert an.
Ich stelle dir ein paar Dinge auf deine To-do:
1. Wer wird von wem umgebracht?
(Ja, lass eine Leiche mitspielen, dann kann man es besser als Krimi vermarkten)
2. Warum wird der Mord begangen?
3. Wer ist hauptverdächtig (und war es am Ende doch nicht)?
4. Wie fliegt das Ganze auf?
Alsdann plottet man von hinten: Stell dir vor, wie der Täter/die Täterin entlarvt wird.
Mach dir dann Gedanken, wie die Tat geschickt vertuscht und auf jemand anderes gelenkt worden ist. Womöglich machen sich gleich mehrere Figuren verdächtig. Dann notier dir deren möglichen Motive.
Nun ist es wichtig, den Mörder nicht erst im Schlussbild in Erscheinung treten zu lassen. Man sagt, er/sie müsse in einem Krimi im Mittelfeld immer mitspielen. Mittelfeld heißt: weder Hauptheldin noch Statist/in. Dir wird da was einfallen.
Also – wir lesen uns!
Herzliche Grüße,
schickt Elke