Und sie sah, dass es wahrscheinlich gut werden würde von Margit Dorfmüller Geschichte lesenVor Jahren hatte Greta im Garten eine dicke Frau aus Ton gefunden. Eine mit einem angemalten Badeanzug und einer lustigen Außenrolle. Die Bemalung war schon fast verblichen, aber das Lächeln der dicken Frau war kess und verwegen.
Sie hatte mit ihrem apfeligen Körper am Stamm eines Holunders in der Erde gesteckt und nur mit dem winzigen Kopf herausgeschaut. Um sie herum wuchs das Gras hoch, und eigentlich war es unmöglich, sie zu finden. Mit Mühe hatte konnte sie frei gelegt werden.
Seitdem saß sie auf einem Brett über Gretas Schreibtisch und sah aus wie eine Badekugel, wie eine Pralinensammlerin, wie eine Pionierin ungenierter, müßiger, ausufernder Nacktheit.
„Du könntest einen neuen Anstrich gebrauchen“, sagte Greta, sah aber davon ab.
Sieben Jahre lang hatte Greta keinen eigenen Garten gehabt. Das hieß nicht, dass sie nicht gärtnerte. Sie bepflanzte Balkone, half einer Freundin bei einem riesigen Grundstück, als wenn es ihr selbst gehörte; sie legte Kräuterspiralen und Hochbeete an und pflegte Baumscheiben.
Immerzu sammelte Blumensamen in Hosen- und Manteltaschen und säte sie auf Blumeninseln aus, und jedes zweite Foto auf ihrem Handy zeigte Bäume und Büsche, Blumen und Gräser. Einen eigenen Garten wollte sie nicht mehr.
„Zu viel Arbeit“, sagte sie bei jeder Gelegenheit. „Außerdem: mit jeder Pflanze wächst meine Abhängigkeit. Und wer gießt schon richtig, wenn ich verreist bin?“
Im Stillen dachte sie, dass sie nun mehr Freizeit hätte und mehr Spaziergänge machen würde.
Aber dann flog ihr ein Haus zu, mit Garten, alles ganz klein, und sie fand alles ein wenig brach und bedürftig vor. Es roch nach Neubeginn. Dieses Mal jedoch wollte sie alles richtig machen.
„Garten ist der Spiegel der Seele“, zitierte sie einen alten Freund und fragte sich, ob sie jahrelang wohl keine solche gehabt haben mochte.
Jedenfalls hatte die abwesende Seele bis in die Finger hinein gejuckt, und nie hatte der Balkon gereicht, um ihren Bedarf nach Pflanzen zu befriedigen.
„Ich brauche Stifte, einen Block und kariertes Papier.“, sagte sie und setzt sich ans winzige Sprossenfenster.
Und weil niemand widersprach, rückte sie mit dem Stuhl an den winzigen Küchentisch im winzigen Wintergarten und legte ihr Schreibzeug über die Risse in der Resopalplatte. Es war Sonntag und es dämmerte bereits. Eine einzige Lampe war angeschlossen; der Schirm hing schief. Die dicke Frau aus Ton war mitgekommen, sie saß, unternehmungslustig blickend, auf der Fensterbank.Sonst gab es in diesem Haus nichts; Gretas Sachen befanden sich noch in ihrer Wohnung. Für den Umzug blieb noch Zeit.
Gestern hatte man ihr die Schlüssel ausgehändigt, nachdem sie den Notarvertrag unterschrieben hatte.
„Der Garten geht vor“, sagte sie, „alles andere kann warten.“ In Wahrheit war es so, dass sie sich vor allem anderen fürchtete. Weil sie handwerkliche Hilfe brauchte. Und wusste, dass sie sich um unangenehme Dinge nicht lange herumdrücken konnte. Weils sie jede Handlung alleine planen, jede Entscheidung selbst fällen musste.
Aber der Garten machte ihr keine Angst; sie glühte vor Freude. Sie übertrug die Maße des Grundstücks auf die Kästchen, zeichnete die Mauern und das Gartenhäuschen ein, schraffierte die Sitzflächen und malte Kringel für die Steine und Karos für die Platten auf dem Weg aus, der mi...